Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung

Was passiert, wenn eine volljährige Person zum Beispiel infolge Unfalls oder Erkrankung ihre Rechtsangelegenheiten nicht mehr selbst besorgen kann? Wer kann über Konten verfügen, Erklärungen gegenüber Banken, Behörden usw. abgeben und über die medizinische Behandlung bestimmen oder entscheiden, ob der Betroffene zu Hause oder in einem Pflegeheim betreut wird?

Die rechtlichen Probleme eigener Handlungsunfähigkeit werden häufig unterschätzt. Allein die Frage erzeugt allzu oft Erstaunen, denn die Meinung, dass Ehegatten oder nahe Angehörige in solchen Fällen kraft Gesetzes vertretungsberechtigt sein, ist weit verbreitet – und falsch !

Weder Ehegatte noch Eltern oder Kinder sind befugt, den Handlungsunfähigen im Rechtsverkehr umfassend zu vertreten. Zwar besteht seit 01.01.2023 ein zeitlich befristetes Notvertretungsrecht für den Ehegatten in Gesundheitsangelegenheiten. In allen anderen Angelegenheiten, insbesondere bei Bankgeschäften, Behördengängen, Grundstücksfragen usw. ist nach wie vor auch der Ehepartner nicht zur Vertretung berechtigt.

Zur Wahrnehmung seiner Rechtsangelegenheiten müsste vom Amtsgericht (Vormundschaftsgericht) ein Betreuer bestellt werden. Die Betreuerbestellung ist ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen und mit erheblichen Nachteilen verbunden: Bis zur Betreuerbestellung vergehen Wochen bis Monate. In dieser Zeit können Fristen versäumt und Schuldner nicht gemahnt werden, notwendige Kündigungen nicht erfolgen und Anträge nicht gestellt werden. Die Folgen sind nicht selten ruinös. Der Betroffene bekommt möglicherweise eine Person als Betreuer zugewiesen, die er nicht kennt. Übt der Betreuer seine Tätigkeit beruflich aus, entstehen erhebliche Kosten. Selbst wenn ein Angehöriger zum Betreuer bestellt wird, ist dieser der Aufsicht des Gerichts unterworfen und ihm gegenüber rechenschaftspflichtig. Bestimmte Geschäfte, z.B. Grundstücksgeschäfte bedürfen der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung. Schenkungen – auch an Kinder oder Enkel- sind dem Betreuer in aller Regel gänzlich verboten.

Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie diese Probleme vermeiden und Ihre Angelegenheiten von vorn herein in die Hände einer Person Ihres Vertrauens legen! Unter einer Vorsorgevollmacht versteht man eine umfassend erteilte Vollmacht für den Fall, dass der Vollmachtgeber aufgrund Alters oder Krankheit nicht mehr selbst handeln kann.

Die Vorsorgevollmacht kann entsprechend Ihren Bedürfnissen ausgestaltet werden: So können Sie einen oder mehrere Bevollmächtigte bestimmen und die Aufgabenverteilung oder Rangfolge unter den Bevollmächtigten festlegen und Anordnungen für bestimmte Angelegenheiten treffen. Bei der Auswahl der Betreuer gibt es nur wenige gesetzliche Beschränkungen. Grundlegende Voraussetzung jeder Vollmacht ist aber Ihr Vertrauen gegenüber dem Bevollmächtigten. Verfügungen über Grundstücke oder GmbH-Anteile können nur aufgrund einer notariell beglaubigten oder beurkundeten Vollmacht erfolgen. Auch in allen anderen Fällen empfiehlt sich die notarielle Beurkundung der Vorsorgevollmacht, denn der Notar berät Sie und verfasst den Text individuell nach Ihren Zielen mit juristisch einwandfreien und eindeutigen Regelungen.  

Die Vorstellung, ohne Aussicht auf Besserung hilflos ans Bett gefesselt zu sein und auf unabsehbare Zeit nur noch von Maschinen am Überleben gehalten zu werden, beunruhigt. Viele Menschen wollen in solch einer Lage nicht zum Spielball der medizinisch-technischen Möglichkeiten werden. Ohne klare Anordnung des Betroffenen selbst kommen Angehörige und Ärzte oft in belastende Situationen, da einerseits die lebenserhaltende Behandlung einschließlich künstlicher Ernährung nicht einfach abgebrochen werden darf, andererseits jede weitere Behandlung nur eine Leidensverlängerung bewirkt.

Mit einer Patientenverfügung (auch Patiententestament genannt) können Sie festlegen, ob und welche Behandlung Sie in derartig aussichtlosen Fällen wünschen, falls Sie dann zu einer Willensäußerung nicht mehr in der Lage sind.

Die Patientenverfügung ist nicht gesetzlich geregelt. Lange Zeit war umstritten, ob und in welcher Weise und für welche Dauer Patientenverfügungen wirksam sind. In einer grundlegenden Entscheidung vom 17.03.2003 hat der Bundesgerichtshof (BGH) für Klarheit gesorgt: Der „in guten Tagen“ geäußerte Wille ist auch dann zu respektieren, wenn der Betroffene selbst nicht mehr in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen oder seinen Willen zu äußern. Voraussetzung ist aber, dass der Wille des Betroffenen eindeutig und auf konkrete Krankheitssituationen bezogen niedergelegt ist. Die Formulierung erfordert Sorgfalt und Sachkunde. Der Notar unterbreitet Ihnen praxiserprobte Formulierungsvorschläge. Zweckmäßigerweise wird die Patientenverfügung in einer Urkunde mit der Vorsorgevollmacht verbrieft. Das spart Kosten und sichert das Auffinden der Patientenverfügung.

Noch immer stößt man auf vorgefertigte Texte aus verschiedensten Quellen, die die regelmäßige Widerholung oder Bestätigung der Patientenverfügung als angeblich notwendig oder hilfreich empfehlen. Diese Ansichten sind ebenfalls seit der genannten Grundsatzentscheidung des BGH überholt, denn der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine einmal errichtete Patientenverfügung solange gültig bleibt, bis sie vom Betroffenen selbst geändert oder widerrufen wird. Solche Patientenverfügungen erweisen sich mittlerweile als echtes Risiko, denn vergisst der Verfügende die zunächst begonnene kontinuierliche Widerholung seiner Unterschrift, entstehen später Zweifel, ob die Verfügung noch dem Willen des Betroffenen entspricht. Von der Verwendung von Formulartexten ohne rechtliche Beratung kann deshalb nur abgeraten werden. 

Selbstverständlich können Sie vor oder nach Errichtung Ihrer Patientenverfügung den Arzt Ihres Vertrauens zu den medizinischen Aspekten konsultieren, Voraussetzung für die Wirksamkeit der Patientenverfügung ist dies nicht. 

Der Notar unterbreitet Ihnen Vorschläge, wie das Auffinden Ihrer Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung gewährleistet wird. Denn die beste Vollmacht nützt nichts, wenn sie nicht gefunden wird. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, das Auffinden der Vorsorgevollmacht sicherzustellen. So kann ein Kärtchen mit den Vollmachtsdaten bei den Ausweispapieren mitgeführt werden. Eine sichere und von den Vormundschaftsgerichten auch intensiv genutzte Möglichkeit, das Auffinden der Vollmacht zu erleichtern, ist die Registrierung bei dem Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer. Die Registrierung kann jederzeit vom Vollmachtgeber selbst veranlasst werden. Wird die Vollmacht vom Notar beurkundet, so veranlasst der Notar auf Wunsch die Registrierung ohne dafür zusätzliche Gebühren zu erheben. In diesem Falle fallen nur die Registrierungskosten beim Zentralen Vorsorgeregister an. Diese betragen einmalig 23,00 € zuzüglich 3,50 € für jeden weiteren Bevollmächtigten, falls mehr als einer Person die Vollmacht erteilt wird. Diese Kosten decken die gesamte Registrierungsdauer ab, gleichgültig, wie lange die Vollmacht registriert bleibt.

Der Vollmachtgeber kann die Registrierung jederzeit löschen lassen. In das Register dürfen nur die Vormundschaftsgerichte Einblick nehmen, da nur sie über die Bestellung eines Betreuers entscheiden. Die Einsichtnahme durch andere Stellen ist nicht zugelassen und auch nicht erforderlich. Das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer ist gesetzlich anerkannt und geregelt. Weiterführende Informationen finden Sie unter www.vorsorgeregister.de .

© Notar Frank Scherzer